Dieser Artikel wurde ursprünglich auf ync.li veröffentlicht – ein Projekt von Staufis.
Dieser eine Freund hatte wenig Erfahrung wie man ein Lagerfeuer macht, dafür hatte er jedoch eine Flasche Spiritus sowie Grillanzünder dabei. Daher stapelte er das Holz an der vorgesehenen Stelle, legte den angezündeten Grillanzünder hinein und übergoss alles mit Spiritus. Während das Ganze anfangs eine helle und hohe Stichflamme erzeugte, erlosch das Feuer nach kurzer Zeit fast vollkommen, sodass er nochmals Spiritus über den Holzhaufen gießen musste. Dann flammte das Feuer wieder auf – bevor es kurz darauf wieder in die Knie ging. Auch als die Flasche leer war, hatte sich noch immer kein richtiges Feuer entwickelt, das Holz war nur von außen etwas angekokelt.
Nach diesem ersten gescheiterten Versuch kam ein anderer aus der Gruppe zur Hilfe. Er nahm einen Stock und zerteilte den Haufen an Holz. Einige Stücke legte er zur Seite, der Rest blieb in der Mitte. Dann stellte er die übriggebliebenen Holzstücke zu einem Tipi auf. Er nahm einige Stöcke, stellte die dicken zwischen die größeren Hölzer und legte die dünnen auf etwas trockenes Gras und Rinde, welches er dann anzündete. Anfangs war nur ein ganz kleines Feuer zu sehen, doch langsam fingen die dünnen Stöcke an Feuer zu fangen und zu brennen. Das Feuer wurde langsam größer und in der Mitte bildete sich mit der Zeit eine Glut aus dem schon verbrannten Material. Die dickeren Stöcke und Holzstücke fingen auch an zu brennen, wodurch das Feuer, sowie auch die Glut weiter wuchsen. Das Feuer brannte irgendwann von alleine, denn selbst wenn die Flamme kurz ausblieb, war die Glut heiß genug, dass jedes brennbare Material sofort Feuer fing, sobald es in dessen Nähe kam. Auch war es so hell und heiß, dass man keine weiteren Lichter benötigte und sich alle voll und ganz am Feuer wärmen konnten. Man musste dann nur noch brennbares Material nachlegen.
Als wir am nächsten Morgen aufwachten, glühte die Glut immer noch heiß und heiter vor sich hin.
Interpretation
Liebe kann nur aus dem Innersten heraus brennen, sei das geschlechtliche Liebe oder anderweitig. Bei Ersteren scheint es klar, wie ein schlechtes Lagerfeuer, auf das man stetig neuen Brandbeschleuniger schütten muss aussieht: oberflächlich, nur aufs Körperliche und Äußere konzentiert, externe Faktoren wie Geld, Status, Fame und so weiter spielen dabei eine wichtige und entscheidende Rolle. Wie beim Lagerfeuer kann man mit solchen Dingen sicherlich kurzzeitig eine große Flamme entfachen, doch benötigt es eben ständig mehr davon, oder das Feuer erlischt. Bei Liebe die aus dem Innersten kommt sieht es jedoch anders aus, diese benötigt nichts Äußeres, sondern wird durch das Innere, durch die Verbindung und gegenseitIge Anziehung zwischen zwei Menschen angetrieben. Wie beim Lagerfeuer kann sich so eine Glut auch erst mit der Zeit bilden. Das Gleiche gilt ebenso für die Freundschaft, und eigentlich auch allgemein für jede zwischenmenschliche Beziehung, egal welcher Art. Wenn man mit jemandem nur aufgrund externer Faktoren befreundet ist – beispielsweise aufgrund von wirtschaftlichen Möglichenkeiten und Vorteilen, oder aufgrund von Status –, dann erlischt diese Freundschaft, sobald die externen Faktoren nachlassen – wenn der Spiritus leer ist. Bei einer wahren Freundschaft ist man nur aufgrund des anderen Menschen befreundet, die Quelle liegt also im Inneren, nicht im Äußeren. Und bei einer Gruppe an Menschen ist es ebenso, denn während äußere Faktoren sie zwar zusammenhalten können – beispielsweise wird eine Firma durch wirtschaftliche Zwänge zusammengehalten (in der Regel sind die Mitarbeiter nur dort, weil sie Geld verdienen müssen um in der Gesellschaft existieren zu können), oder eine politische Gruppierung wird meist durch äußeren Druck zusammengehalten –; während das auf kurze Dauer einen Zusammenhalt suggerieren kann, lässt dieser schlagartig nach, sobald diese externen Faktoren von außen abschwächen – vielmehr müsste man hier eigentlich von einem Interessensverband oder Ähnlichem sprechen, denn es sind externe Interessen, welche die Mitglieder verbinden, nicht die Mitglieder selbst. In einer Gemeinschaft ist dem anders, dort ist jeglicher Zusammenhalt auf die Menschen an sich bezogen. Man verbringt also nicht miteinander Zeit, weil man beispielsweise externe Ziele erreichen möchte, sondern weil man sich mag – die Quelle des Feuers liegt im Inneren.
Nicht nur auf Zwischenmenschliches lässt sich diese Analogie anwenden, sondern auch auf die Schaffenskraft, sprich auf das was einen dazu antreibt etwas zu schaffen, wobei das Geschaffene die Flammen sind. Im einen Fall sind es wiederum externe Faktoren, die, vorallem heutzutage, eigentlich immer mit Zahlen zu tun haben: Geld, Klicks, und so weiter. Und natürlich gibt es heute mehr Spiritus denn je, wie ein unendlicher Vorrat erscheint es manchmal, so dass die meisten sich damit zufrieden geben, darin ihre Motivation zu finden und so ihr Feuer brennen zu lassen. Doch das zieht nach sich auch stets die ‚Form‘ des Feuers, wie bei einem tatsächlichen Lagerfeuer ja auch. Man kann dadurch nur das ‚schaffen‘, was eben auch Aufmerksamkeit bringt. Das bedeutet beispielsweise, dass das, was man macht, nicht zu persönlich und zu konkret an das eigene Leben gebunden sein kann, denn dann können es fremde, anonyme Menschen, die dieses eigene Leben nicht kennen, nicht nachvollziehen oder verstehen. Auch muss die Form etwas sein, das sich zu einem gewissen Grad skalieren lässt, das bedeutet heute, dass es etwas Digitales sein muss, das (zumindest in Teilen) im Internet existiert. Wer nicht die besten Mittel nutzt und mit der Zeit geht, wird zurückgelassen. So jemand erhält immer weniger oder gar keine Aufmerksamkeit mehr, was in der Analogie der Spiritus ist; sprich wer sein Schaffen nicht nach dem Zeitgeist ausrichtet, kann auch nicht auf den Spiritus der Aufmerksamkeit von Fremden (und den damit einhergehenden Konsequenzen, wie Geld, Klicks, etc.) setzen, um sich motivieren zu lassen. Anders verhält es sich auch hier mit der Glut, die im Inneren liegt; diese muss auch nicht nur auf einen selbst beschränkt sein, sondern kann natürlich auch durch die Verbindungen zu anderen genährt werden. Dabei kann man auch hier nochmals unterscheiden zwischen einer ‚echten‘ und einer oberflächlichen Verbindung, denn wie gesagt kann Schaffenskraft im weitesten Sinne auch wie ein oberflächlicher Brandbeschleuniger in Sachen Liebe und Freundschaft wirken, wobei die Konsequenzen des Schaffens im Vordergrund stehen (Geld, Status, etc.); während eine echte Liebesbeziehung oder Freundschaft an sich auch ohne Geschaffenes auskommt, treibt sie jedoch dennoch, oder gerade deswegen, zum Schaffen an. Und ‚Geschaffenes‘ soll hier keineswegs nur externe Objekte bezeichnen, sondern auch der Geist und der Körper gehören dazu – genau das zeichnet den Menschen aus: die Fähigkeit sich selbst zu formen.
Und auch auf Ebene einer gesamten Zivilisation lässt sich diese Analogie anwenden, denn eine gesunde Zivilisation brennt, wärmt und schafft Licht von innen heraus, sie ist in diesem Sinne in sich stabil und kann eine lange Zeit bestehen. Anders verhält es sich mit unserer modernen, technischen Zivilisation, welche nicht aus sich selbst heraus brennt, sondern stets neuen ‚Spiritus‘ benötigt um große Flammen zu erzeugen – vor allem ist das technischer Fortschritt. Es ist demnach keine innere Glut, die auf zwischenmenschlichen Verbindungen beruht oder davon genährt wird, sondern nur die kalte Hand der Technik, die das Niedrigste im Menschen anspricht und ansteuert, vermag den Haufen Holz kurzzeitig zu entfachen. Doch noch viel mehr: die durch den Wahn gesammelte Menge an Spiritus führt gänzlich zu einer Explosion, die für einen Augenblick erblindend, täubend, verbrennend wirkt und alles in ihrem Umkreis zerstört und vernichtet – sie hat nichts mehr mit dem von Glut getriebenen Lagerfeuer zu tun, an dem man sich mit anderen wärmen und erfreuen kann, das Licht und Leben auch in der Dunkelheit spendet, das einen die Nacht bezwingen lässt, bis die Sonne wieder scheint.
