Meine Oma verfolgt mit Leidenschaft Arztserien im Fernsehen. Das Anschauen der neuen Folgen ihrer Lieblingsserie, die in einem Krankenhaus spielt, gehört zu den Höhepunkten ihrer Woche. Und auch in ihrem Leben waren Krankenhausaufenthalte immer aufregende Ereignisse. Mit einem gepackten Notfallkoffer war sie jederzeit bereit, die Reise ins Reich der Medizin gut vorbereitet anzutreten. Der Schulmedizin gegenüber aufgeschlossen und vertrauensvoll, genoss sie das Gefühl, von freundlichen Ärzten und mitfühlenden Schwestern umsorgt zu werden. Dieser Umstand hat sicherlich auch ihren Lebenswillen auf eine gewisse Weise immer wieder angefacht. Zugegeben, das Essen ließ etwas zu wünschen übrig, aber wenn der Appetit mal nicht so groß war, konnte man mit den Tütenkuchen immer noch den Enkelkindern eine Freude bereiten, wenn sie zu Besuch kamen.

Doch mit ihrem letzten Krankenhausbesuch im Herbst vergangenen Jahres änderte sich das alles. Meine Oma befand sich mehrere Tage lang in einem Zustand, in dem die Ärzte wiederholt ihr stolzes Alter hervorhoben. Wir als Familie durften sie nur sehen, wenn schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden mussten, zu denen meine Oma zu diesem Zeitpunkt selbst nicht in der Lage war – ansonsten war uns der Besuch untersagt. Stattdessen wurden meiner Oma nun täglich von Personen, von denen sie nur die Augen sah, Teststäbchen in die Nase gesteckt. Wir versuchten einer Mitarbeiterin des Krankenhauses am Telefon zu erklären, was für ein ausschlaggebender Faktor direkter Beistand von Bezugspersonen für die Genesung sein kann. Sie teilte uns mit, dass sie die Zugangsbeschränkungen zwar bedaure, sie aber leider nichts ändern könne. In ihren Augen war die Lösung klar: Wenn sich alle impfen lassen würden, hätte man diese Probleme nicht.

Als es meiner Oma vor einigen Wochen wieder sehr schlecht ging, wollte sie ausdrücklich nicht ins Krankenhaus. Dabei nahm sie in Kauf, zu Hause zu sterben, anstatt sich den Untersuchungen in diesem Rahmen anzuvertrauen. Statt sicher und geborgen würde sie sich dort nun ausgeliefert und gefangen fühlen. Ein solch extremer Wandel in ihrer Einstellung stimmt mich sehr nachdenklich.

Ich würde mir wünschen, dass medizinische Einrichtungen nicht die Anziehungskraft von Strafanstalten besitzen. Dass diese Orte nicht als Plattform für Propaganda und Panikmache herhalten müssen. Dass die Patienten sich trotz der unangenehmen Lage, die sie in stationäre Obhut geführt hat, den Umständen entsprechend wohl in ihrer Umgebung fühlen könnten und nicht durch diverse Maßnahmen, deren Schaden meiner Meinung nach weitaus größere Ausmaße annehmen kann als der vermeintliche Nutzen, zusätzlich belastet werden. Sondern dass die Gesundheit der Menschen auf eine ganzheitliche Art und Weise im Mittelpunkt von medizinischen Handlungen und pflegerischer Fürsorge steht. Was für einen großen Einfluss das psychische Wohlbefinden auf die körperliche Verfassung hat, ist nicht nur auf Psychosomatik spezialisierten Therapeuten bekannt. Und doch wird dieser Zusammenhang tagtäglich in erschreckender Weise ignoriert. Keine Statistik wird je aufführen, wie viele Menschen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aufgrund der dortigen Isolationsmaßnahmen an Einsamkeit sterben oder weil sie die Zustände psychisch nicht mehr ertragen. Ganz zu schweigen von denen, die sich einen Krankenhausbesuch von vornherein nicht mehr zumuten wollen und dabei das Risiko eingehen, nicht wieder gesund zu werden.

Dank medizinischer Kenntnisse in der Familie konnte meine Oma dieses Mal in häuslicher Pflege vor dem Schlimmsten bewahrt werden. In ihrem Fernseher reden derweil sympathisch lächelnde Ärzte beruhigend auf besorgte Verwandte ein. In ihrer Welt werden medizinische Masken vorwiegend im Operationssaal getragen.