Ein Essay aus dem Sommer 2021 – von Antonia – #wirvergessennicht

Ein Land im Umschwung. Ein Land im Erfinden von Wörtern und einem Neudefinieren von bestehenden Wörtern. Denn: Sprache beeinflusst eine Gesellschaft, beeinflusst das Handeln und den Umgang miteinander. Unseren politischen Führern aus dem 21. Jahrhundert ist dies bewusst.

Wir leben in einer Zeit, in der wir mit Wörtern um uns schmeißen, nur um klug, intelligent oder gebildet zu klingen. Immer schön im Zeitgeist mitzuschwingen und ja nicht aus der Reihe zu tanzen. Unzählige Hashtags umgeben uns – #hierwirdgeimpft, #vorbei, #ärmelhoch, #wellenbrecher, #schutzimpfung, ###. Was einst als Symbol in der Musik von Größen wie Mozart, Beethooven oder Bach genutzt wurde, wird nun hergenommen, um Stimmung zu machen. Ungeachtet dessen, ob Freundschaften zerbrechen, Familien sich zerstreiten oder Kinder einsam und ausgegrenzt auf dem Spielplatz sitzen, weil ihre Eltern sich nicht den richtigen Hashtag auf die Stirn tätowiert haben.

Die Kleinen, diejenigen, die es am wenigsten betrifft, leiden am meisten darunter. Psychiatrische Stationen für Erwachsene sind mit Jugendlichen oder Kindern überlaufen und drücken unterbewusst den Altersdurchschnitt solcher Einrichtungen. Dort, wo früher PTBS, Burnouts oder Mid-Life-Crisis von Mitfünfzigern behandelt wurden, stellen sich den Angestellten ganz neue Probleme: Angstzustände, Depressionen, Einsamkeit, Suizidgedanken von immer jüngeren Patienten. Nicht, dass es diese zuvor nicht auch schon gab, doch sie begegnen den Pflegern und Psychiatern in einem ganz neuen, nie dagewesenen Ausmaß.

Aber was sollˋs, das sind Kollateralschäden und zumutbare Kollateralschäden, sonst würden nicht ohnehin illegale Selbsthilfegruppen aufgelöst werden und hart bestraft werden. Helfen Sie sich bitte nicht, springen Sie bitte von einer Brücke. Dabei müssen Sie weder Masken- noch Abstandsgebote einhalten, da Sie ja wie alle anderen einsam und allein von dieser Brücke springen. Unsere Zukunft wird kaputt gemacht. Kinder und Jugendliche im Wachstum werden traumatisiert und langfristig geschädigt. Das alles wird als Kollateralschaden billigend in Kauf genommen. Man nennt das Phänomen der bewussten Hinnahme solcher Kollateralschäden auch Absurdistan: ein Überbegriff, welcher in Unterkategorien wie Unverständlichkeit, Kopfschütteln oder Hände-über-den-Kopf-zusammenschlagen weiter unterteilt werden kann.

Beobachtet man Kinder heutzutage, wird klar: Zwei Jahre Isolation und Einsamkeit haben aus der jungen Generation Einzelkämpfer gemacht. Innerhalb von kürzester Zeit haben Kinder Emotionen, Empathie und den Teamgeist verloren. Sie können nichts dafür, sie mussten es lernen: vor ihrem digitalen Lernbegleiter, hinter Masken, verwahrlost in den eigenen vier Wänden. Liebe Bundeswehr, Ihre Spezialeinheit „Einzelkämpfer“ kann in 20 Jahren um einige Tausende ergänzt werden. Denn für mehr taugen sie nichts. Wobei, Kinder sind anders als Einzelkämpfer, sie gleichen vielmehr Versprengten, ohne Plan und ohne Ziel, herumirrend hinter feindlichen Linien, frierend und fröstelnd auf der Suche nach ihren Kameraden. Und kommen sie dann in die Zivilisation und treffen wieder auf ihre Kameraden, so gleichen ihre Seelen einer zertrümmerten Stadt. Doch es gibt Hilfe und Schutz, in Schulen, Kitas und pädagogischen Einrichtungen, jedoch verpackt hinter einer FFP2-Maske, emotionslos, denn Gefühle äußern sich nicht nur durch das Heben der Augenlider. Es ist so trostlos, unsere junge Generation ist in solch einem Trümmerfeld unterwegs und wir wissen aus der Geschichte des zweiten Weltkrieges, sahen es an Kriegsgefangenen: der Zustand in ihrem Inneren nach der Schlacht wird nie mehr derselbe sein wie vor der Schlacht. Aber was soll’s, Kollateralschäden.

Doch auch an Jugendlichen und jungen Erwachsenen geht dieser „Zustand“ nicht spurlos vorbei. Dort, wo früher einmal Anmachsprüche wie „Hey Süßer, Bock auf ne Spritztour“ oder „Hey Lady, ich bin vom ADAC, darf ich dich abschleppen“ (ich bin keine Expertin auf diesem Gebiet) dominiert haben, gibt es einen ganz neuen Turn-On: Bist du geimpft? Wie liebend gerne würde ich auf diese Frage antworten: ja, Windpocken, Masern, Kinderlähmung, Tetanus, FSME, etc., doch das ist nicht gewünscht. Und um ehrlich zu sein, es ist kein Turn-On.

Unsere Freunde suchen wir uns nach ihrem vorhandenen oder nicht vorhandenen digitalen Impfausweis aus. Die 2-Klassengesellschaft gibt es. Nicht nur in Restaurants, Kinos oder bei Konzerten, sondern auch im engsten Freundeskreis. Die Geimpften wollen sich dem „Risiko“ eines Ungeimpften nicht aussetzen. Wo solch ein Mensch doch sowieso gleich Superspreader, Coronaleugner, Nazi, AfD-Wähler, Reichsbürger und Querdenker in einem ist. Die Ungeimpften suchen sich ebenfalls ihre Freunde ohne Spikeprotein aus, da man einfach nicht ständig eine verbale Impfkampagne ins Gesicht geklatscht bekommen möchte. Ja, bei den letzten Zeilen wurden leider beide Lager über einen Kamm geschert. Doch einen Aufschrei sollte es nicht geben, ich folge hier lediglich stolz dem Beispiel der öffentlich-rechtlichen Medien und auch dem vieler privater Medien. Diese befeuern die Impfkampagne geradezu. Es ist nur ein Pieks. Moderatoren, Prominente und Nachrichtensprecher lassen sich mit einem Pflaster auf dem Arm übergroß auf einem Plakat abbilden. Ja, es ist „nur“ ein Pieks. Mit einem Pieks (gut, drei um genau zu sein) wird die Todesstrafe in den USA vollzogen. Mit einem Pieks kann ein Gegenmittel zu einem Schlangengift gespritzt werden. Mit einem Pieks kann einem Diabetiker das Leben gerettet werden. Mit einem Pieks kann ein noch nicht zugelassener Impfstoff seinen Weg durch den Körper eines Versuchskaninchens bahnen und Schaden anrichten. Muss nicht, aber lasst uns doch würfeln, ob Nebenwirkungen auftreten oder nicht.

Bei jeder Impfung gibt es ein Aufklärungsgespräch für Eltern oder Erwachsene, bei Corona gibt es lediglich die stumme Drive-In-Impfung auf dem Real-Parkplatz. Und meine Güte, dann sterben halt ein paar Menschen an Thrombosen, Herzproblemen oder inneren Blutungen. Aber was soll’s, Kollateralschäden.

Doch die Impfung symbolisiert nicht nur Schutz vor einem schweren Verlauf, sondern auch Solidarität. Eine Impfung, die eine Weitergabe des Virus nicht ausschließen kann, sondern lediglich einen selbst schützt, ist Solidarität. Dasselbe Wort, welches im Zusammenhang mit den Menschen benutzt wird, die ihren Jahresurlaub oder unbezahlten Urlaub nutzen, um den Menschen in Flutgebieten beizustehen und ihnen zu helfen. Ist das nicht paradox, das selbe Wort in zwei total unterschiedlichen Kontexten. Das Impfbeispiel ist für mich die „neue Solidarität“, das Urlaubsbeispiel die „alte Solidarität“, wie sie der Alman-Deutsche aus seinem gelben Duden kennt. Und zeigt man nicht die neue Solidarität, wird man aus den Vergnügungsstätten, Restaurants, dem öffentlichen Leben, sowie auch von den Grundrechten ausgeschlossen. Zeigt man die neue Solidarität, so bekommt man einen Discobesuch, ein Sportereignis oder eine Bockwurst neben seiner Impfung vom ungeimpften Steuerzahler bezahlt, der nebenbei ab Oktober seinen Test selbst bezahlen muss. Tausende dürfen auf Kosten des Staates kostenlos ins Kino. Geld, welches für Renten oder Armutsbekämpfung im eigenen Land genutzt werden könnte. Es tut uns leid, dass ihr Rentner in Altersarmut feststeckt. Aber was soll’s, Kollateralschäden.

Wohin man geht, überall schreien einem dieselben maskierten Männchen und 1,5m Schilder ihre Anweisungen entgegen. Abstand hier, Abstand da, wo ist der Verstand? (Tipp: irgendwo unter Kollateralschäden begraben). Der Mensch gleicht mittlerweile einem Roboter, programmiert, um Anweisungen auszuführen ohne nachzudenken. Dressiert für den Maskenzirkus – der Eintritt kostet den gesunden Menschenverstand. In Scharen strömen sie hinein und wollen auch gar nicht mehr heraus. Ohne Beachtung dessen, wie nonverbal kommuniziert wird oder Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden. Lassen wir die Menschen einfach nicht kommunizieren und ihre Gefühle und wahren Gedanken in sich herein fressen. Was soll’s, Kollateralschäden.

Sollte ein Buchstabe aus dem Alphabet gestrichen werden, würde die ungeimpfte Minderheit sich vermutlich für das G entscheiden. Dies hat eine ganz neue Bedeutung bekommen und ist – im Sinne von Buchstaben – „in“. 3G hier, 2G fast flächendeckend, sogar in Universitäten, 5G im Aufbau durch die Telekom. Doch man hasst es. Egal, wo man hingeht: 2G-Auflagen, 2G-Kontrollen und ich sehne mir eine Welt herbei, in der auch 2A bis 2Z erwünscht sind. Komm schon, treuer und gehorsamer Beraterstab der Bundesregierung, gib den anderen Buchstaben auch eine Chance, sich zu profilieren und zu beweisen.

Ich stelle mir vor, an einem Restaurant vorbeizulaufen, wo es heißt: „2G? Hier sind alle Buchstaben willkommen!“ Das ist nicht die „neue Normalität“, wie wir sie kennen, aber es ist eine Normalität, eine Toleranz Andersdenkender. Toleranz von regierungskritischen Stimmen, die in unserem „freien Deutschland“ ganz selbstverständlich ihren Platz haben, wie 2G in der Innengastronomie. In dieser ganzen 2G-Debatte geht es nicht nur um Deltavarianten, Impfzulassungen und Grundrechte.

Es geht um eine systematische Ausgrenzung der Menschen, welche nicht ins G – Spektrum passen oder passen wollen. Welche nicht in die Denkweise des G – Grundsatzes passen, beziehungsweise sich diesem widersetzen. Meine Güte, dann wird diesen 30% der Bevölkerung Kunst, Kultur und Gemeinschaft verwehrt. 30% Einbruch des Umsatzes für Mittelständler, Kleinunternehmen und Freiberufler. Ein Einbruch, den sich die wenigsten nach bald 2 Jahren Zitterpartie um die Existenz nicht mehr leisten können. Aber was soll’s, Kollateralschäden.

Und beim Anblick all dieser Trümmer in diesem Land kommen Gefühle wie vor 70 Jahren hervor. Erinnerungen schieben sich aus den dunklen Ecken des Großhirns vor in die Gegenwart. Eine Überlebende des letzten großen Krieges sprach von einer verschleierten Diktatur in diesem Land. Das Problem, der Krieg, eine Pandemie, die gar keine ist, Ausgrenzung und Depression sind nicht vorbei und damit auch nicht der Anfang des Verbrennens von Überbleibseln aus dieser Zeit. Wie sie es damals mit Büchern, Wurfsendungen und Zeitungen machten, den Prozess von einem  Aufarbeiten der Geschehnisse und Erfahrungen eingeleitet haben, so steht uns dieser Prozess noch bevor, wenn er überhaupt zugelassen wird. Doch so lange wir in diesem Zustand leben müssen, können wir sehen, wie unsere Welt und unsere Gesellschaft Stück für Stück unter dem ständig anwachsenden Berg von Kollateralschäden begraben wird.